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Via Sacra

Predigt - P. Stanislav Přibyl - Hochfest am 6. Juli 2014

Liebe Pilger,

im Evangelium hörten wir darüber, wie Maria zu ihrer Verwandten Elisabet ging. Wenn wir dem Evangelium zuhören, erfahren wir, dass Maria zu ihrer Verwandten ging, dass sie sich begegneten, und dass Maria nach Hause zurückkehrte. Die Situation ähnelt unserer, ähnelt uns, die auf eine Wallfahrt gehen. Der interessanteste Augenblick kommt sicherlich zustande, wenn das Ziel erreicht ist, genauso wie es an dem Altarbild ausgemalt ist, wie die Jungfrau Maria sich mit Elisabet trifft. Wir können uns allerdings fragen, was das Wichtigste von dem ganzen Weg ist. Das Pilgern oder das Ziel? Und wo liegt das Ziel meiner Wallfahrt nach Oberpolitz? Hier oder erst zu Hause?

Für einen der Höhepunkte ist zweifelsohne der Augenblick zu halten, wenn wir das Ziel unserer Wallfahrt schon erblicken und es erreichen. Genauso bedeutend ist allerdings das Pilgern selbst. Dabei ist es egal, ob wir mit dem Auto bis zum Ort kommen, denn die Beine tragen uns nicht mehr, oder ob wir den Weg vom Bahnhof zu Fuß oder sogar dutzende Kilometer zurücklegen. Wichtig ist die Tatsache, dass auch diese Bewegung zu unserem geistlichen Wohl beiträgt.

Zurzeit eilen die Menschen stets irgendwohin. Ebenfalls ich habe immer Eile. Ich möchte das und das schon hinter mir haben, ich möchte schon freie Zeit für mich selbst haben. Ich stelle jedoch fest, dass die mir selbst angeeignete und angesparte Zeit letztendlich nicht viel Sinn hat. Es ist erheblich wichtiger, nicht zu eilen und jeden Augenblick unseres Lebens voll zu genießen.

Maria ging zu ihrer Verwandten. Die Strecke aus Nazareth nach Ain Karim, wo der Tradition nach Elisabet mit Zacharias lebten, konnte etwa ein hundert Kilometer lang sein. Damals gab es jedoch keine Autos. Mehrere Tage zu Fuß zu gehen, das bietet eine Gelegenheit, nachzudenken und zu beten. Und die Jungfrau Maria hatte viel Stoff zum Nachdenken, denn der Engel hatte sie vor Kurzem besucht und hatte ihr verkündet, sie wird die Mutter des Gottesssohnes. Sicherlich dachte sie ebenfalls über die schwierige Situation nach, in die sie durch ihr „Ja“ geriet, denn sie wurde im Auge der Menschen doch eine ledige Mutter, also eine zum Tode Verurteilte. Dieser Weg aus Nazareth zu Elisabet konnte ein sehr komplizierter sein.

Wenn wir auf die Wallfahrt aufbrechen, tragen wir in unserem Inneren ebenfalls eine Spur der Erwählung Gottes, aber auch manche Sorgen, die uns das Leben erschweren. Es ist wichtig, zu einer Entscheidung zu kommen, und diese Entscheidung muss reif werden. Dazu ist gerade die Zeit der Wallfahrt geeignet, die Zeit des Pilgerns zum Ziel, die mit Unbequemlichkeit und Mühsal verbunden ist. Während dieser Zeit können uns neue Horizonte geöffnet werden, dazu kommt es lediglich zum Preis der sogenannten „verlorenen“ Zeit und zu dem Preis, dass wir ins Schwitzen kommen. Die Begegnung Mariä mit Elisabet stellt ein erstaunliches Moment dar. Schon mehrmals hörten wir dieser Geschichte zu und können uns sagen: „Ich kenne sie schon,“ und aufhören, zu hören. Es wäre jedoch Schade. Wir erfahren über den Augenblick, in dem sich zwei Frauen begegnen, die ein Kind erwarten, und in dem sich zugleich diese Kinder begegnen. Diese zwei Frauen begegnen sich nicht nur als zwei Verwandte, sondern auch als zwei Erwählte. Beide Frauen begreifen es, und infolge ihrer Begegnung kommen zwei herrliche Gebete zustande: ein Teil des Gebetes „Ave Maria“, Fortsetzung des Grußes des Engels, und der Hymnus – Lobgesang „Magnifikat“. Magnifikat ist dabei die Antwort auf die von Elisabet ausgesprochene Begrüßung. Zweifelsohne hatten diese zwei Frauen bei ihrer Begegnung keine dichterischen Vorhaben. Ihr Gebet war eine Reaktion darauf, was sie spürten, sowohl auf ihre riesige Freude, auf das herrliche Gefühl der Nähe Gottes, als auch darauf, wie das Versprechen Gottes in Erfüllung geht. Auf der ersten Stelle steht die Bewusstwerdung von der eigenen Situation, auf der zweiten dann die Einordnung dieser Situation in den Kontext der gesamten Heilsgeschichte. Es klingelt sehr gehoben, aber es ist ganz einfach. Maria sagt: „[Wie] er unsern Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.“ Dieses ermöglicht ihr, ebenfalls etwas bisher Ungehörtes auszusprechen: „[V]on nun an preisen mich selig alle Geschlechter.“ Es geht um kein Prahlen, sondern um den Augenblick, in dem die Jungfrau Maria begriff, zu welcher großen Sache sie von Gott erwählt wurde.

Darin besteht der Höhepunkt unserer Wallfahrt, also in der fröhlichen Begegnung mit Christus und in der Bewusstwerdung, wozu mich Gott berufen hat. Entscheidend sind die Worte „Abraham und seinen Nachkommen auf ewig,“ also die Tatsache, dass meine Berufung keinen Solitär darstellt, nichts, was mit der gesamten Heilsgeschichte im Einklang nicht stehen würde. Sonst könnte ein Trugbild vorhanden werden. Und Trugbilder sind gefährlich, wovon wir uns und unsere Zivilisation bei unterschiedlichsten falschen Propheten überzeugten. In der Präfation über den heiligen Johannes des Täufers heißt es: „Schon im Mutterschoß erfuhr er das kommende Heil, seine Geburt erfüllte viele mit Freude.“ Theologen behaupten, Johannes der Täufer wurde in diesem Augenblick von der Erbsünde bereinigt, also vom Makel, mit dem wir geboren werden, und der durch die Taufe beseitigt wird. Die Begegnung von Maria und Elisabet ist durch einen sakramentalen Charakter geprägt, weil es sich um einen Augenblick handelt, in dem die Gnade überreicht wird.

Auch wir befinden uns in einer ähnlichen Lage. Im Ziel unserer Wallfahrt begegnen wir Christus, der Makel der Sünde wird uns weggewischt, und wir werden mit der Gnade erfüllt. Die gewöhnliche „Wallfahrtsprozedur“, das heißt die Beichte, die Heilige Messe und die Kommunion, und am heutigen Tag darüber hinaus die Möglichkeit, vollkommene Ablässe zu gewinnen, verlor nichts an ihrer Wirksamkeit und Wichtigkeit. Im Rahmen dieser unserer  großen Wallfahrt nach Oberpolitz gibt es zusätzlich noch eine kleine Wallfahrt, die wiederum Mühsal und Zeit erfordert, zum Beispiel wenn wir auf das Bußsakrament warten.

Schließlich kehren wir von der Wallfahrt nach Hause zurück. Ebenfalls diese Zeit ist bedeutend. Es handelt sich um keine notwendigerweise verlorene Zeit, während derer wir zu unserem Zuhause zurückgehen oder zurückfahren. Genauso wie beim Essen gibt es den Augenblick, wenn wir hungrig sind und uns freuen, dann die Zeit, wenn wir essen, und anschließend das angenehme Gefühl, wenn wir satt sind und die Nahrung verdauen, wenn das Essen seine Früchte trägt und uns mit Kraft und Energie erfüllt. Genauso ist es notwendig, dass wir unsere Wallfahrt in Anführungszeichen verdauen. Dass das, wovon unser Kopf nun voll ist, ins Herz kommt und dort bleibt. Alle Vorsätze, Gnaden, Verzeihung, Freude – und ich weiß nicht, wodurch eine Wallfahrt uns noch bereichern kann – sind in Gnaden umzuschmelzen, das heißt in das praktische tagtägliche Leben einzuführen, das alles irgendwie unter die Haut gehen zu lassen, dass das Gottes sich in uns an unsere Mühe anschließt und mitwirkt, damit das gute Leben nach der Vorstellung Gottes für uns, im besten Wortsinn, eine Gewohnheit oder Routine wird.

Die heutige Feier ist ein Fest des Weges, des Besuches, der Begegnung, der Verwandlung, des Rückkehrs und des Zieles. Kurz und bündig ist es ein Fest unserer Wallfahrt.

Das Fest Mariä Heimsuchung ist zugleich ein Fest der offenen Arme. Verschiedene Kunstwerke, die dieses Ereignis abbilden, stellen Maria und Elisabet in Umarmung dar. Diese Abbildung macht uns auf die Notwendigkeit dieser Stellung ebenfalls in unserem Leben aufmerksam. Wir hatten und haben so viele Gründe, die Hände zur Faust zu ballen und den Rücken zuzuwenden. Was erlebten wir nur in den letzten ein hundert Jahren! Den ersten Weltkrieg, der ein Kampf aller gegen alle darstellte. Er hatte weder einen Sieger noch den Sieg. Er zerrüttete die hundertjährigen Ordnungen und fügte ein zusätzliches Übel zu. Und danach ein weiterer Krieg, totalitäre Regime des Nazismus und Kommunismus. Das alles brachte uns bei, zu misstrauen. Gott sei Dank, immer gab es Menschen, die wussten, dass es ohne Verzeihung, Versöhnung und Wiederherstellung des gegenseitigen Vertrauens keinen Weg weiter gibt. Als Christen sind wir verpflichtet, unsere Arme stets offen zu haben und bereit zu sein, die anderen zu umarmen, denn wir alle sind auf diese Weise von Gott umarmt, der uns nie den Rücken zuwendete. Es erfordert Mut. Offene Arme und die Bereitschaft zur Umarmung stellen gleichzeitig eine Stellung dar, bei der der Mensch auf die Möglichkeit verzichtet, sich zu wehren, und sehr verletzbar ist. Eine ungeschützte Stelle, das heißt das eigene Herz, zuzuwenden, dafür wird wirklich Courage gebraucht. Möge die Einstellung der Jungfrau Maria, die nie aufhörte, offene Arme zu haben, auch wenn ein Schwert durch ihre Seele drang, uns Inspiration sein, möge ihre Fürsprache uns Hilfe sein. Lediglich auf diese Weise finden wir Frieden und Zuhause, woran uns der Name des Festes „Mariä Heimsuchung“ wortwörtlich erinnert. Diesen Frieden, der aus der gegenseitigen Verzeihung, Offenheit und Bereitschaft, Freunde zu sein, hervorgeht, wünsche ich uns allen von ganzem Herzen.

P. Stanislav Přibyl